Jan und Alex in Brasilien / Blog


27. Dezember 2008

Ausflug auf die 'Dschungelfarm'

um 12:14 von Jan unter Land und Leute, Freizeit veröffentlicht. 9 Kommentare

Niemand bleibt ewig krank. Entweder man stirbt, oder man wird wieder gesund. Bei mir ist glücklicherweise zweiteres eingetreten. Als mich Alex so nach 4 Wochen Krankheitszeit mal wieder besuchte, kam er wohl gerade von einem Treffen mit unserem lieben Anderson. Dieser ist ein Freund von uns, einer, mit dem sich unsereins schon verständigen kann. Er geht mit uns in die Jugendgruppe (holt uns sogar ab!), spielt mit uns Volleyball und will von uns Englischkenntnisse gelehrt bekommen. Und so erzählte mir Alex, dass die Jugendgruppe Freitag auf eine Dschungelfarm, eine Fazenda, wandern und dort das Wochenende verbringen will. Man kann hier in Envira für relativ wenig Geld ziemlich viel Regenwald kaufen (5ha für 2000€). Was man dann damit macht, ist einem selbst überlassen. Manche Leute bauen sich in die Mitte ein Häuschen und fackeln den Wald herum ab. Da lässt man dann ein paar Schafe, Kühe, etc. grasen die ziemlich verloren aussehen auf diesen riesigen Wiesen.

Ich war ja schon fast wieder gesund, in Alex sprühte eh die Lust auf ein neues Abenteuer und so sagten wir natürlich spontan zu. Ich war damals zwar immer noch etwas geschwächt, 4 Wochen Krankheit steckten mir noch in den Beinen, aber ich kann ja auch nicht immer nur rumliegen und musste mir eben auch wieder etwas zutrauen. Als wir allerdings von der Planung hörten, wurden wir das erste Mal an diesem Wochenende kritisch: Jeder soll 10 BRL bezahlen (rund 4 €) und damit wird das Fleisch bezahlt. Im Endeffekt hat allerdings nur Alex diesen Betrag bezahlt… Sollten wir also ohne Essen loslaufen? Auf die Schnelle kauften wir mit Andreas noch 75 Brötchen, geplant waren nur 40. Für 15 Leute die 3 mal frühstücken und 3 mal zu Abend essen wollen. Gepackt war auch alles schnell, was braucht man schon in Brasilien? Ein bisschen Kleidung, ein Teller mit Besteck und Becher, Sonnencreme und Mückenschutzmittel, eine Hängematte und eine Decke. So fuhr uns Andreas mit dem Essen und unserem Gepäck zum Treffpunkt. Was uns dort erwartete, war eine ziemlich Überraschung. Es wurden Lebensmittel, Gepäck und sonstige Utensilien (Kochtöpfe, Löffel, Malsachen, …) angeschleppt wie man es in Deutschland für eine Jungscharfreizeit mit 40 Teilnehmern einpacken würde. Und kurzerhand wurde alles in den Toyota verladen - obwohl uns bewusst und klar war, dass es die Tage davor sehr arg geregnet hat und die Fazendas meist nur mit Pferd, Ochsenkarren oder einer geländetauglichen Maschine erreichbar sind. Zu dem ganzen Gepäck stopften wir noch ein paar Leute (nicht alle, manche liefen auch) in den Toyota und fuhren los. Keine 100 m aus Envira draußen sagte Andreas schon, das könnte ganz schön happig werden: Eine einzige Schlammpiste, nur unterbrochen von kurzen trockenen Abschnitten, die aber dafür mit 50cm tiefen Schlaglöchern gespickt sind. Es war, so kann man es sagen, sehr amüsant. Wenn der Dreck seitlich hochspritzt und die Reifen 20 cm tief in einer »Seifenschicht« verschwinden, dann macht es richtig Spaß. Andreas ist ein ziemlich guter Fahrer, dass musste ich anerkennend zugeben (Na gut, er lässt uns auch nicht ans Steuer…). So schlitterten wir das ein ums andere Mal über die Piste, bedrohlich nah kamen uns die Gräben oder Erdhügel rechts und links. Bis wir dann einmal steckenblieben. Doch mit einmal Vollgas vor und zurück, Gas durchdrücken und Kupplung schnell kommen lassen, schaffte es Andreas das Auto ziemlich dreckig zu spritzen und uns doch durch dieses Schlammloch durch zu kriegen. Wir kamen alles in allem gut voran. Andreas wurde vielleicht etwas übermütig und mit ziemlicher Geschwindigkeit fuhren wir einen Hügel hinunter, wir hätten auf der anderen Seite auch wieder hochwollen. Allerdings war die Senke zwischen den zwei Hügeln gefüllt mit Schlamm. Und zwar so viel Schlamm, dass wir erst einmal fast gegen einen seitlich liegenden Baumstamm geknallt wären und dann doch ziemlich genau in der Mitte in ca. 30 cm tiefen reinem Lehm-Wasser-Gemisch hängen blieben. Die Straße hatte auch noch so eine Seitenneigung, dass meine Türe aufschwang und ich fast inmitten dieser Matsche landete.

Wir versuchten mit Händen und Füßen, ihn rauszuschieben. Alles, was er geladen hatte, luden wir aus um ihn leichter zu machen. Wir steckten ein paar Bretter, die am Rand lagen, unter die Reifen um so mehr Halt zu bekommen. Wir schaufelten mit den Händen den Dreck von den Reifen um irgendwie loszukommen. Aber dann… dann sprang der Motor nicht mehr an… Auch die Versuche, am Motor rumzuschrauben (man erinnert sich evtl. an früher mit Dieselpumpe) waren leider erfolglos. So standen wir, 6 km von Envira entfernt, mitten in der Pampa, zu Beginn der Dämmerung, ohne Hilfe und irgendwie verloren. Andre ging los, um nach Hilfe zu suchen und kam mit zwei Männern und einer Schaufel und einer Hacke wieder. Anspringen wollte er aber immer noch nicht. Es bestand noch die Möglichkeit ihn mit einem Ochsen heraus zu ziehen, allerdings waren die meisten Bauern gerade dabei die Ochsen und Kühe von der Weide heim zu treiben. Verloren… verloren in den Weiten des Urwaldes - das war unsere Situation. Doch zu unserer Überraschung kam zuerst ein Agraringenieur auf seinem Maulesel/Pferd von dem rechten Hügel, und keine 2 Minuten später kam ebenso einer von der linken Seite! Schnell vor das Auto gespannt, waren die Pferde von der Arbeit nicht sehr angetan… Wir schaufelten noch ein wenig herum, versuchten die Bahn zu ebnen und die Bretter möglichst sinnvoll unter die Reifen zu legen. Mit viel Körpereinsatz und einer starken Gemeinschaftsleistung (die einzige Gemeinschaft des ganzen Wochenendes…) schafften wir es langsam und in mehreren Teilschritten hievten wir den Toyota so dann doch noch aus dieser Matsche und schoben ihn soweit auf die andere Hügelseite, dass Andre im Rückwärtsrollen den Motor anlassen konnte. So wurden wir noch ein wenig weiter chauffiert, bis das nächste Schlammloch vor uns lag. Darauf wollte André sich aber nicht mehr einlassen, lud uns aus, wir bedankten uns artig und verabschiedeten ihn.

Während André nun wieder in Richtung warmes Haus und Bett fuhr, liefen wir, jeder beladen mit seinem Gepäck und einer Kiste Utensilien, den restlichen Kilometer bis zu der Fazenda. Es war schon sehr dunkel als wir ankamen, und so war es kein Wunder dass so ziemlich jeder mal in einen der am Boden liegenden Kuhfladen trat. Da wir aber eh schon total verdreckt waren, machte uns dies nichts aus. Logischerweise bestand die erste Aktion in der Fazenda erst einmal in Brunnen anschmeißen und einer Eimerdusche. Die Fazenda, in der wir gastierten, besteht aus einem zweistöckigen Gebäude auf einer quadratischen Grundfläche. Der untere Stock hat keine Wände, dort ist aber die Toilette, die Küche und ein Vorratsraum und viele Stützbalken, an denen überall Hängemattenhaken angebracht sind. Im oberen Stockwerk hat der Besitzer ein Zimmer mit Schrank, Fernseher und Bett. So konnte jeder seine Hängematte aufhängen und dann wurde auf das Essen gewartet: Suppe, Brot und Wasser. Man könnte meinen, nach diesem anstrengenden Tag sind die Brasilianer erschöpft und wollen schnell ins Bett. Leider wurden unsere Erwartungen in dieser Hinsicht nicht erfüllt. Ich durfte meine Portugiesisch-Kenntnisse unter Beweis stellen als ich ihnen das Spiel »Rommé-Cup« beibrachte - keine leichte Aufgabe. Ich hätte es auch lieber lassen sollen, denn dieses Spiel beherrschte dann jede freie Sekunde der brasilianischen Jugendlichen… Ich spielte noch ein paar Runden mit und konnte ihnen dann im Laufe der Spiele auch nahezu alle Regeln erklären, bis ich mich so gegen 11 auf den Weg in meine Hängematte machte. An Schlaf war dennoch nicht zu denken. Ein paar Mädels sangen schon den ganzen Abend - während wir noch spielten - und obwohl sie wussten dass schon einige schlafen wollten hörten sie nicht auf, die immergleichen Lieder wieder zu singen… Ich war sehr froh, als dann ein ebenso entnervter Brasilianer die CD aus dem Player nahm und Radio einschaltete. Hier empfängt man zwar nur Radio Envira, aber da nachts (fast) nur noch 'normale' englische Lieder, z.B. 'Californication' von Red Hot Chili Peppers, laufen, hörte das oftmals schiefe Gesinge schnell auf. Englisch können die ja zum Glück nicht!

Mein Schlaf währte leider nicht sehr lange, da um 1 Uhr ein Sturm losbrach. Nehmen wir an, der Wind kam von Westen, dann lag ich an der Westseite. Und da es ein richtiger Sturm war mit relativ hohen Windgeschwindigkeiten, reichte das Vordach von ca. 1,5 Metern Länge nicht aus, den Regen von mir fernzuhalten… Anderson, der auf der gleichen 'Höhe' wie ich schlief, zog sofort um, ich packte mich tiefer in meine Decke ein und versuchte wieder einzuschlafen. Das war ein ziemlich sinnloses Unterfangen, weil immer wieder Tropfen auf meinen Kopf flogen und ich merkte wie eine Seite meiner Hängematte immer nässer wurde. Ich war sehr glücklich, dass ich eine ziemlich dicke Hängematte gekauft hatte - als der Sturm aufhörte fühlte sich meine Hängematte von außen wie frisch gewaschen an, innen war sie soweit aber noch recht trocken: klamm. Schnell eingekuschelt, konnte ich dann auch wieder einschlafen. Alex wurde von dem Sturm übrigens fast nicht gepeinigt… Er lag an der Ostseite und auch noch relativ tief, dass er wohl nicht mal Wind gespürt hat. Ob er überhaupt aufgewacht ist?!

Nach weiteren zwei Stunden Schlaf wachte ich schon wieder auf. Meine Hängematte schaukelte immer wieder hin und her, als ob jemand das jemand bewusst verursacht. Und wen erblickten meine Augen: Anderson und noch jemanden, die zwischen all den Hängematten hindurchliefen und jeden bemalen wollten. Sobald jemand aufwachte rannten sie zu mir und versteckten sich hinter meiner Hängematte. Mit meinem bösesten Blick versuchte ich sie zu verscheuchen, aber sie wollten ihre kindischen Aktionen nicht lassen. Der Vorteil meines Aufwachens war, das ich nicht bemalt wurde. Dafür hat meine Hängematte jetzt einen nicht gerade kleinen grünen Fleck an der Seite, der auch auch nach dem Waschen nicht rausging.

Meine Nacht wurde ein weiteres mal um ca. 5 Uhr morgens unterbrochen. Ein paar Kinder äh Jugendliche (oder irgendwas mittendrin) unterhielten sich mitten im Raum auf Zimmerlautstärke. Ich glaube sie haben so ziemlich jeden aufgeweckt… Als ich dann einmal einen deutlichen Zischlaut in ihre Richtung ausstieß, drehten sich mir gleich mehrere böse schauende, verschlafene brasilianische Gesichter entgegen. Die Nachricht war klar: »Jan, sei ruhig! Die anderen dürfen ruhig reden, aber schlaf du doch einfach weiter!« Übrigens waren dass die selben Gesichter, die mich um 11 Uhr noch mit ihren Geistergesängen wachgehalten haben…

Ich traute meinen Ohren, Augen und sonst noch allem nicht, als ich um 7 Uhr geweckt wurde mit der Aussage, dass wir jetzt frühstücken wollen. Wie bitte? Um 7 Uhr morgens? Nach so einer kurzen Nacht? Doch es war traurige Gewissheit, Alex, Josué und ich waren die einzigsten die ihre Hängematten noch nicht aufgerollt hatten, der CD-Player röhrte schon wieder die selben Lieder wie am Abend davor und in und vor der Kochecke war schon ein geschäftiges Treiben. Alex und ich lagen dann noch so lange in der Hängematte, bis das Frühstück anfing: Papaya, trockenes Weckchen und ein laut Alex 'total übersüßter Kaffee'. Ich bin ja nicht so der Kaffeetrinker. Nach dem Essen wurden kurz die Zähne geputzt und dann legten wir uns auch schon wieder in die Hängematte. Anderson sagte uns zwar irgendwas unverständliches, was wir tun sollten, aber nach Arbeit war uns nach dieser Nacht nicht zumute. Als wir aber sahen, dass diese für ein Feuer (durchnässtes) Holz sammelten, weckte das bei uns doch die Abenteuerlust. Und als wir auch noch bemerkten, dass sie - in Person von Anderson und Josué - versuchen, das Feuer mit Plastik anzumachen, wurde auch noch der Umweltschutzbeauftragte in uns wach. Sowas macht man ja nicht! Alex holte zwei Blätter Papier von meinem etwas feuchten Block und wir bereiteten in ca. halbstündiger, mühevoller Kleinarbeit den Grundstock für das Feuer vor. Anderson hatte es zwischenzeitlich schon mal geschafft, dass ein paar Flammen aus seinem Holzhaufen züngelten - vermutlich nur das Plastik, das schon runtergetropft war - und Josué pustete dann so lange und so kräftig, bis es wieder aus war. Tja, Freunde, ohne Glut kein Feuer! Sie lachten uns zwar aus, wie wir unsere kleinen Holzspäne und ein paar Stöckchen aufschichteten, und als das feuchte Papier dann nicht wirklich brennen wollte, war ihre Schadenfreude sehr groß. Doch mit der Zeit entstand eine kleine Glut, daraus ein kleines Feuer, mehr Glut, … bis wir am Ende schon grillen konnten. Aber da das Josénias, Josués großer Bruder, übernahm, war es am Ende mehr verbranntes Fleisch als irgendeine essbare Substanz.

Währenddessen erkundeten wir ein wenig die Umgebung. Von der Fazenda aus sieht man in jede Richtung nur hügeliges Grasland, auf dem die Erosion schon tiefe Gräben gerissen hat. Alles nur Weidefläche für ein paar Tiere. Und so rannten wir die Hügel hoch und runter, es ist schon unglaublich wie viele Bäume auf dieser Fläche früher mal gestanden haben müssen. Und die Wege und Wiesen waren von bis zu 1 Meter tiefen Erosionsgräben durchzogen… Zerstörung des Regenwaldes, hier haben wir es! Der Bürgermeister hat beim Rodeofestival gesagt, dass in seiner Amtsperiode die Anzahl der Rinder in Envira von 8.000 auf 24.000 Tiere ausgebaut wurde. Diese großen - aber fast unbenutzen, wir haben nur ein paar Schafe gesehen - Weideflächen sind wohl der Preis dafür.

Als wir dann wieder in der Fazenda ankamen, durften wir noch eine Weile warten bis das Fleisch fertig war, und es dann - wie könnte es anders sein - zusammen mit Reis und Bohnen genießen. Danach stand eine kurze Mittagspause auf dem Plan, die wieder mal mit Rommé-Cup, Singen etc. verbracht wurde, während Alex und ich in der Hängematte lagen. Als sich die Brasilianer dann aufmachten um in einem nahegelegenen Bach ein wenig zu baden, sagten Alex und ich dankend ab. Lieber wollten wir ein bisschen dösen, die Umgebung ansehen, Fotos schießen, reden, … - kurz: Ruhe vor den hyperaktiven Brasilianern zu haben!

Doch diese schöne Zeit währte nicht ewig, und mit ihrer Rückkehr setzte auch wieder der normale Geräuschpegel ein, der auch den Rest des Tages und Abends so hoch bleiben wollte. Immerhin waren die Gesangstanten von der letzten Nacht trotz all ihrer Beteuerungen müde geworden und verschonten uns an diesem Abend mit ihren 'Singkünsten'. Welch ein Glück! Nach ein paar Runden Rommé-Cup war dann aber auch für mich der Abend zu Ende, der Schlafmangel und die Krankheit steckten mir noch in den Beinen. Ich fühlte mich immer noch nicht wirklich fit und mit so wenig Ruhe kann sich das ja auch nicht ändern. Alex spielte an diesem Abend wohl alle bekannten Schulspiele auf kariertem Block durch (Käsekästchen, Rennspiel, drei gewinnt oder wie man es nennen mag, … ). Ich döste schon gemütlich in meiner Hängematte vor mich hin, als ich mich plötzlich auf dem Boden wiederfand, mitsamt meiner Hängematte. Ein paar nette Brasilianer fanden es wichtig, dass ihre Hängematten zuerst auf den Haken aufgezogen wurden und hängten meine, die da ja schon den ganzen Tag hing, während dem Abendessen kurzerhand ab, legten ihre Befestigung darunter und meine ganz oben drauf - mit der Konsequenz, dass meine nur noch halb anlag. Als ich mich auf dem Boden wiederfand, lachten sie natürlich, auch die, die eigentlich Schuldgefühle haben sollten… Meinen Jähzorn und Aggression unterdrückend, versuchte ich ihnen klar zu machen dass ich das alles andere als lustig fand und sie am liebsten in den mit Piranhas gefüllten See werfen würde. Die Reaktion darauf war ein Nachäffen meiner Worte, da meine Aussprache noch nicht ganz perfekt ist. Das gab mir dann den Rest und ich hängte meine Hängematte wieder auf, legte mich hinein und schlief dann auch bald ein.

Irgendwie war wohl auch Alex von der brasilianischen Kinderversammlung genervt, denn er fragte mich am nächsten Morgen ob wir nicht Sonntags - statt wie geplant Montag mit den anderen - heimwandern wollen. Ich - nach den Erlebnissen der vergangenen Tage und Nächte - natürlich Feuer und Flamme für diese Idee, stimmte sofort zu. Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen - begleitend von den Gesängen einer Brasilianerin, die auch für meinen Abgang verantwortlich war, und die ca. 10 min das selbe Lied sang und ganz bewusst immer in meine Richtung sah. Es ist ziemlich öde, wenn man so lange immer nur »Aléluia« in einer schiefen Tonlage zu hören bekommt… Mir tönt es jetzt noch in den Ohren wenn ich daran denke. Wir verabschiedeten uns von den Brasilianern, die versucht haben mit uns was zu machen - Josué, Thaisa, äh das wars auch schon - und wanderten los. Begleitet wurde das loslaufen von 'Jan-tomate'- [Jan-Tomatschi] Rufen, übersetzt logischerweise Jan-Tomate. Das habe ich zuletzt in meiner Kindergartenzeit gehört, und genau das Gefühl hatte ich als wir losliefen. Ich lasse den Kindergarten hinter mir.

Die Wanderung war sehr, sehr schön. Wir hatten zwar nicht sehr viel Wasser und mussten ziemlich rationieren, das Gepäck war auch ziemlich schwer und die Sonne brannte vom Himmel, aber wir begegneten netten Leuten, sahen viel von der Landschaft und konnten uns gut unterhalten. Dennoch waren wir sehr froh, als wir um ca. 4 Uhr nach guten zwei Stunden Wanderung wieder in unserem Häuschen ankamen, sichtlich geschafft. Die kalte Dusche war eine Wohltat, danach buk Alex noch einen Hefezopf und wir besuchten noch kurz Totzens - um Angelika und Chris zu begrüßen, die am Samstag aus Manaus zurückgekehrt waren. Dort wurden wir dann auch hervorragend bewirtet, kalte Hähnchenbrust vom Mittagessen, unser eigener Hefezopf mit Marmelade aus Manaus, Salami… Sehr lecker! Und als man abends so im Bett lag, geschützt von Wänden und mit einer gewissen Ruhe, schliefen wir schnell ein und konnten sogar durchschlafen.

Noch eine kleine Anmerkung: Da die Brasilianer hier oftmals relativ kindisch beschrieben werden, weit weg von dem Ideal »Nächstenliebe, gutes Zusammenleben, Hilfe, etc.« - das sie in ihren Liedern immer besingen!!! - muss man sie evtl. auch noch ein wenig in Schutz nehmen. Die meisten von ihnen waren noch nie außerhalb von Envira, höchstens mal in der nächsten Buschstadt Eirunepé, die aber auch nicht anders ist. Sie haben noch nichts gesehen - und viele werden auch nichts von der Welt sehen. Manaus ist für sie eine Weltreise entfernt. Und diese Freizeit war für fast alle das erste mal richtig weg sein von daheim, eine ganz neue Erfahrung. In Deutschland ist das vermutlich die Übernachtung im Kindergarten… Als ich mir das ganze vor diesem Hintergrund überlegt habe, dass es in Deutschland selbst bei sowas eine Steigerung gibt - Übernachtung im Kindergarten, Büchernacht in Grundschule, erster Kindergeburtstag mit Übernachtung, verschiedene Freizeiten - und diese jugendlichen und schon erwachsenen Brasilianer das erste Mal eine »Freizeit« erleben, nicht daheim schlafen, und das für sie eine ganz neue Erfahrung ist, konnte ich meine Gefühle, die ich so an diesem Wochenende hatte und die oftmals aus Wut bestanden, revidieren und ich war sehr glücklich dass ich mich nie so ausdrücken konnte wie ich eigentlich wollte… Es hat mir mal wieder aufgezeigt, wie gut es uns in Deutschland geht, das unser Erziehungssystem wirklich sehr vielschichtig ist und dass ich hier einfach mehr Rücksicht nehmen muss. Selbst die Reicheren von den Jugendlichen haben noch keine derartigen Erfahrungen gehabt - deswegen verhielten sich viele von ihnen auf der Freizeit so anders als sie sich hier benehmen, wenn wir ihnen begegnen!

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Kommentare

Danke, dass du diesen Nachsatz geschrieben hast. Das ist bestimmt ein weiteres Übungsfeld für euch, mit den Jugendlichen umzugehen und barmherzig mit ihnen zu sein. Was war eigentlich Inhalt dieser Jugendfreizeit? Gibt es einen Jugendkreisleiter oder war es nur so ein gemeinsames Übernachten?

Sigrun am 28. Dezember 2008, 14:36

Oh mann, da wird man ja sogar beim lesen wütend, das wär nix für so`n alten choleriker wie mich, da fliegen wohl dann die fetzen. « durch Rainer Zufall kriegt Ramboschulze mit dass einige seiner ehemaligen Kameraden gepeinigt im tiefen Urwald gefangen sind, prompt ziehgt er los um sie aus der grünen Hölle zu befreien…(»…ein unglaubliches Erlebniss, perfekte Besetzung und grandiose Naturaufnahmen…« Filmstarts 2008) Naja, dein Nachsatz mag ja einiges an Wahrheit beinhalten, man muss allerdings sehen dass es sich hierbei ja nicht lediglich um reine Rücksichtslosigkeit handelt sondern scheinbar um gezielte Provokation. Und die lässt sich meiner Meinung nach nicht mit Herkunft oder sonstwas entschuldigen, das ist einfach fies, vorallem einem rehabilitierenden Aussländer gegenüber. »Vorsicht rehabilitirender Aussländer« schreib dir dass aufs T-Shirt, könnte helfen (auf portorgesisch natürlich) Naja, Kinder, sowiesonichtso mein Fall…. Gut dass es dann solch sympathische pendelnde heinzelmännchen gibt! Naja, schön dass es euch da unten gefällt, is aber auch gut so, weil dauert ja noch ne ganze weile das Ganze. Ich muss jetzt noch 2 Tage arbeiten, dann hat sichs. Und in geraumer Zeit befinden wir uns dann auf dem selben Kontinent. Wer weis, vlt. laufen wir uns eines Tages über den Weg, Ich auf der Flucht vor der Zivilisation und ihr vor kleinen bösartigen Brasilianern. Hoffen wir dass es nicht soweit kommt. Nun denn, interessanter Beitrag, und nette Fotos, da sehn die Brasilianer eig. ganz sympathisch aus^^.

Ramboschulze am 29. Dezember 2008, 12:33

vielleicht war das auch ein klarer Akt der Ausgrenzung derselbigen. Brasilianer haben ja eh so ihre Probleme mit Ausländern im Urwald, da sagt mir doch einer der Jugendlichen dass die »USA ihren Regenwald stehlen wollen«. Das ist hier richtig in den Köpfen verankert, alle Amerikaner haben ihr ihren Ruf weg =) (Dabei seh ich doch mehr so aus wie ein Ire)

Aber Ramboschule wenn du dann ankommst dann mach bitte nicht so ein Krach weil ich vermutlich dann grade schlafe und ich kann es nicht brauchen geweckt zu werden!

Übrigens ist das sympathisch pendelnde Heinzelmännchen einer von den vielen Alkoholikern hier, nachdem er uns die Hälfte seines Wassers überlassen hatte füllte er es für sich mit Spiritus auf…

Jan am 30. Dezember 2008, 07:42

Hey Jan, vielen Dank für den Bericht! Ich fühle mich gerade zurückversetzt, in eine Zeit, die so fern und zugleich noch so nah ist. Ich finde es aber vor allem lustig, dass ihr scheinbar genau das Gleiche durchmacht… Wünsche euch noch eine gute Zeit und Gottes Segen. Liebe Grüße auch an Jan und Totzens!

Jonathan am 31. Dezember 2008, 17:02

Habe Deinen ausführlichen Bericht, lieber Jan, im kranken und recht schlappen Zustand in meinem Bett gelesen. Da nimmt mich der Bericht Eurer Anstrengungen, Deines noch nicht ganz hergestellten Gesundheitszustandes und all Eurer Herausforderungen glatt noch mehr mit. Vielen Dank dafür; auch für die Offenheit und Dank auch wieder für die eindrücklichen Bilder. Tja, da kommt halt viel zusammen, jeder mit dem, was ihn ausmacht, seinen Erfahrungen, seinem Wissen, seinem Wollen und auch seiner Kraft. Alles Gute Euch beiden weiterhin! Was bin ich froh gerade über die Ruhe hier in meinem Bett! Aber Ihr habt auch viele Chancen, etwas gegen falsche Bilder und Vorstellungen zu setzen. So vieles Leid geschieht ja leider durch die falschen Vorstellungen in den Köpfen der Menschen,die ungeprüft geglaubt werden, den Vorurteilen eben. Viel Erkenntnis darin wünsche ich Euch und viel Kraft, liebevoll etwas dagegen zu setzen. Auch viel Mut zum Hinterfragen wünsche ich Euch!

Dorothee Klein am 01. Januar 2009, 08:47

Hay ich hoffe bei euch gehts gerade so richtig rund,nich so wie bei uns wir haben Urlaub !! Aber vor einem neuen pc hocken macht au fann oder !! Eure Seite ist schon cool wie macht mann sowas überhaubt? Viele Grüße aus Sulzbach a.d Murr

SRB

SAM BAY am 02. Januar 2009, 03:26

Warum Schreibt denn nimmand ?

SAM BAY am 03. Januar 2009, 07:14

warum, warum ist die banane krumm?! Um deine vorherigen Fragen zu beantworten, bei uns gehts grade auch nicht so rund wir haben auch ein wenig Urlaub gehabt! Ein neuer PC ist immer toll! Die Seite zu machen ist bisschen aufwändiger, das wurde uns netterweise gemacht!

Jan am 03. Januar 2009, 18:26

Gute frage warum ist die banane krum ?

SAM BAY am 04. Januar 2009, 14:52

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