Jan und Alex in Brasilien / Blog


18. Oktober 2008

Rodeofestival in Envira

um 15:19 von Alex unter Land und Leute, Freizeit veröffentlicht. 2 Kommentare

Wild, wild west im Dschungel! Den Kindern wir Schulfrei erklärt, ganz Envira wirkt wie eine Geisterstadt, nur in und um die Arena wuseln tausende Brasilianer, Pferde und Ochsen, denn die Festtage des Rodeos haben begonnen! 3 Tage lang dröhnt hier abends in der Arena die Musik, und Feuerwerke schmücken den Himmel. Aber worum geht es da eigentlich? Mit Totzens, und Andersons und Chris' Freunden haben wir uns mitten unter das Volk gemischt.

Wir dachten, wir kommen eine Stunde vor Beginn, um noch einen guten Sitzplatz zu bekommen, dem Brasilianer liegt aber wohl nicht so viel daran pünktlich zu beginnen und wir saßen noch knappe 4 Stunden, bis sich endlich etwas getan hatte. Zuerst wurde gebetet und das Vaterunser gesprochen, dann kamen ca. 20 hübsche junge Mädchen in die Arena gehüpft, die in Westernstiefeln und Cowboyhut in der Arena tanzten. Kurz darauf sollte die Miss Rodeo gewählt werden und fünf junge Senhoras stolzierten in knapper Westernkleidung herein, präsentierten sich wie auf einem Laufsteg und wurden mit Applaus bewertet. Andreas hat uns ein bisschen vom Moderator übersetzt…«Und nun diese junge Schönheit, 13 Jahre jung und immer noch zu haben, aber aufgepasst, sie weiß genau, was sie will!«…nunja, vielleicht hat unser Kulturführer ja doch recht, in dem steht »Eine unverheiratete Frau mit 25 Jahren gilt im Brasilien schon als alte Jungfer«. Gewählt wurde die Miss aber dann doch erst am 3. Tag und so präsentierten sie sich am nächsten Abend gleich noch einmal. Siegerin wurde zumindest eine 17. jährige.

Im Anschluss liefen die 30 Cowboys ein und knieten sich im Sand nieder um irgendeine Schutzgöttin anzubeten, streng nach katholisch-brasilianischer Tradition eben ;). Die politisch mächtigsten Männer stellten sich dann im Verlauf der nächsten Stunde vor und sagten allen nochmal wie toll sie seien und was sie alles für Envira geleistet haben. Dann irgendwann, als Jan neben mir schon längst seinen Kopf in den Handflächen vergraben hatte, kam der erste Ochse raus…leider ohne Mensch auf ihm. Er wurde erstmal mit Stricken und Fußtritten richtig wütend gemacht…eine Ewigkeit später oder zwei?, saßen wir immer noch da ;) ! In der Arena war unterdessen richtig gute Stimmung unter den Brasilianern, die sich wahrscheinlich über die kurze Wartezeit freuten. Ein Clown alberte im Sand rum und ließ 5 mal seine Hose so ganz versehentlich rutschen…was ein Spaß dachten Jan und ich, der Clown sah wohl unsere gelangweilten Mienen und kam auf uns zu und bekam einen Lachanfall und druckste irgendwie heraus »Es brennt, es brennt! Sein Haar brennt!« ich glaube Jan ist seitdem im ganzen Amazonasgebiet bekannt, er durfte auch noch etwas ins Mikro sagen und verzählte ein bisschen auf deutsch über Gemüsekulturen und Anbau oder so, bis ihm das Mikro weggenommen wurde :)

So um 11 Uhr abends hüpften dann endlich die Ochsen durch die Arena und versuchten ihre Reiter abzuwerfen…Von da an hat es dann auch richtig Spaß gemacht. Kurz zu den Regeln: Im Grunde ziemlich einfach. Ein Reiter und ein wilder Ochse. Ziel des Reiters ist es über 8 Sekunden drauf zu bleiben, ab da fängt die Punktewertung an. Man darf sich mit einer Hand am Ochsen festhalten, berührt die zweite das Tier erfolgt die Disqualifikation. Ein Punktrichter verteilt nach irgendwelchen Kriterien und der Zeit dann eine Wertung von 0 -100. Manche hielten sich knapp eine halbe Sekunde oben, die besten über 30 Sekunden. Durchgeschüttelt wurden aber alle. Ziemlich spaßiger Anblick, wenn plötzlich die Ochsen meterhoch durch die Arena hopfen, als wären sie Geisböcke. Aufgelockert wurde das ganze durch kleine Spiele. Es wurde z. B. eine Ente in der Mitte der Arena vergraben, so dass allein ihr Kopf rausschaute. Zuschauer wurden dann mit einem Tuch die Augen verbunden, gedreht bis ihnen schwindelig war und mit einem Knüppel ausgestattet, mit dem sie versuchen sollten die Ente zu erschlagen, zum Gelächter aller Anderen. Getroffen hat zu meiner Erleichterung niemand. Die einzigen, die verletzt wurden, waren zwei Cavaleros, die von ihren Ochsen gegen Absperrungen geschleudert wurden. Der Krankenwagen blinkte zwar die gesamte Zeit einsatzbereit 40m nebenan, aber zuständig fühlte sich niemand recht. Wie dann endlich zwei Mann die Krankenliege packten und mit ihr in die Arena rannten, klappten sie die Füße mit Rollen aus und kämpften sich sichtlich kräftezehrend und langsam durch die tiefe Sägespäne zum verletzten durch, statt kurz weiter zu tragen. Mehr als eine Ohnmacht und eine Armverletzung war es Gott sei Dank nicht.

Sofern die Ochsen, nachdem sie ihre Cavaleros abgeworfen hatten nicht wieder ins Gatter wollten, ritten zwei waschechte südamerikanischen Cowboys auf ihren Pferden daher und fingen sie mit dem Lasso ein…und wirklich jeder Wurf passte, aus jeder unmöglichen Lage und Distanz. Dass es im Wilden Westen wirkliche Lassohelden gab,da bin ich mir jetzt ganz sicher. Aber hier kann man ja auch reichlich üben, bei 20 000 Rindern, die um Envira weiden…für nicht einmal halbsoviele Einwohner.

Am Sonntagabend begann das Rodeo schon um 11:30 abends, Ende war dann um fünf Uhr morgens, aber wie gesagt bekamen ja alle vom Bürgermeister frei. Der beste Cavalero gewann ein Motorrad, da waren wir aber schon längst nicht mehr dabei…wir versuchten schon zu schlafen, hörten in der Ferne noch das Getöse der Enviraner zu einer Mischung aus Western- und Technomusik. Aber worum ging es denn jetzt nochmal? Nun, für den Brasilianer gar keine Frage, ganz klar um Gemeinschaft und Spaß!!!

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Kommentare

Hallo Jan, warst du wegen »Feuer, Feuer« beim Frisör? Du bist dort bestimmt ein Exot mit deinen wunderschönen Haaren. Stimmt das wirklich, dass du von Gemüseanbau erzählt hast, oder was hat Alex sich da ausgedacht?

Sigrun Mosebach am 19. Oktober 2008, 07:15

wenn ihr so den ungefähren Originaltext hören wollt: »Also es ist jetzt 10 Uhr, und die Kinder sollten jetzt so langsam ins Bett gehen. Und auf jeden Fall muss immer der Teller aufgegessen werden, vor allem Spinat und Brokkoli, weil es ja sonst am nächsten Tag schlechtes Wetter gibt!« Dann wurde mir das Mikro weggenommen =)

Aber jetzt kennt mich wenigstens ganz Envira. So rote Haare wie ich hat hier niemand, aber so annähernd orange-rötliche hab ich schon gesehen. Und die waren einfach zu lang, sonst nix =)

Jan am 19. Oktober 2008, 12:38

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